Freitag, 30. Dezember 2005

Kurze Kritik des geistigen Eigentums.

vom 23. Dezember 2005, entstanden auf der zugfahrt...

Ob man von Software redet, von Büchern, Filmen oder von Ideen, überall scheinen Urheberrechte im Spiel, überall ist eine finanzkräftige Industrie zu finden, die ihre Rechte verteidigt. Gegen „Raubkopierer“ oder Leute, welche die Ideen, die sie vorfinden, einfach weiterentwickeln wollen.
Doch auf welcher Grundlage handeln sie? Auf einer gesetzlichen. Doch aus welchen Ideen sind diese Gesetz entstanden?
Alles findet seine Wurzel in der Idee, es gebe ein geistiges Eigentum. Eine Form von Eigentum, die eigentlich sehr flüchtig, nicht fassbar ist. In der juristischen Praxis wird etwas geistiges aber fixiert, denn ein Eigentum ist notwendigerweise fixiert, es ist gebunden an eine (juristische) Person.
Woher kommt der Gedanke, dass man einer Idee Besitz, ja, Eigentum erwerben kann? Der Ausgangspunkt ist das geschlossene Individuum, das selbstständig Ideen entwickelt, ja Originalität besitzt. Es kann also Dinge erschaffen, die original sind, die seiner kreativen Leistung bedingen.
Hier genau aber ist der Knackpunkt: Gibt es so etwas wie Originalität? Gibt es ein geschlossenes Individuum? Eigentlich wäre es sinnvoll, der Frage nach der Seinsform des Individuums zuerst nachzugehen, da es anscheinend die Ursache der Originalität ist.
Wenn man daran glaubt, dass es ein geistiges Eigentum gibt, so muss die berechtigte Frage gestellt werden, wie man darauf kommt, dass das Erdachte auch wirklich auf eigener Leistung beruht. Die Antwort würde mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nach lauten, dass man so etwas wie das Erdachte nirgendwo anders sehen würde. In der Tat, bestimmte Dinge scheinen unverwechselbar, zum Beispiel der Computer an dem ich hier grad schreibe. Ist das nicht etwa eine einmalige Idee, eine Maschine, mit der man schreiben, rechnen, inzwischen sogar Musik hören und vieles mehr machen kann?
Aber ab wann ist etwas einzigartig und deshalb mein geistiges Eigentum? Wenn ich meinem Computer mit einem Stift einen roten Punkt verpasse, ist er dann geistig mein Eigentum? Allerhöchstens die Idee, einen roten Punkt zu machen, könnte ich mein Eigentum nennen. Ich habe also nur etwas Bestehendes verändert.
Aber woher kommt mein Einfall, einen roten Punkt zu machen? Ich weiß es nicht. Wenn ich es wüsste, wüsste ich auch die Inspiration, woher ich diese Idee habe. Da ich es aber nicht weiß, hat der kreative Prozess nicht in meinem Bewusstsein stattgefunden – die Idee kam über mich. Kann ich etwas, das über mich kommt, als mein geistiges Eigentum bezeichnen?
Das würde ich bestreiten. Es war also nicht original ich, der die Idee hatte. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit habe ich die Idee aus anderen Dingen kombiniert, die ich kannte. Sowie der Computer auf eine lange, unendliche Geschichte zurückblickt, im Laufe derer er irgendwann einmal einen Namen bekommen hat. Einen Erfinder gibt es trotzdem nicht. Genauso verhält es sich mit Büchern, Filmen und Software, die in letzter Zeit vermehrt unter Urheberrecht debattiert werden. Jedes Buch speist sich aus bereits vorgefundenen Sprache, jeder Film muss Anleihen bei anderen machen und jede Software besteht aus Codes, die zuvor irgendwo erlernt wurden.
Doch was bedeutet das für die Frage, die unmittelbar damit zusammenhängt, die Frage nach der Seinsform des Individuums. Das geschlossene Individuum, das abseits von der Welt sich Ideen erdenkt, ist hinfällig. Es wird zur Illusion des Bürgerlichen, die es gern so sehen wollte, um seinen Idealismus, aber auch um seine Privilegien zu sichern, sei es über Patente oder über Urheberrecht. Was bleibt ist das offene Individuum, das nur ein Bereich in einer möglichen Welt der Ideen ist, ein Bereich der ausfranst und sich mit anderen überschneidet, dessen Form unbeschreiblich bleibt.
Was bleibt also anderes übrig, als dem unabhängigen, abgeschlossenen Individuum sein Ende zu bescheinigen? Mit diesem Erkenntnis gilt es, sich von der moralischen Schranke zu befreien und mit dem Hinweis, dass letztlich alles eine Kopie ist, die Bevormundung des geistigen Eigentums zu durchbrechen.

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